Der Gral oder was die Liebe vermag (1997)

Der Gral oder was die Liebe vermagIhrer Aufgabe entsprechend, ist von der historischen Gemeinschaft, die sich um den Gral sammelte, kaum etwas bekannt. Und dennoch erlauben die legendären Quellen Rückschlüsse auf das Geschehen in seinem Bannkreis, seinen tiefen Sinn und seine Bedeutung für die Bewußtseinsentwicklung. Die dem Gral zugeschriebenen Eigenschaften machen deutlich, daß er aus "paradiesischen Kräften" schöpfen kann: Unsterblichkeit, Heilung von allen Krankheiten, sorgloser Lebenserhalt. Voraussetzung für seine Wirksamkeit ist freilich - wie wir aus dem Parsifal-Epos wissen - jene einzig aus lauterster Empfindung gestellte Frage. Sie kann, wie es die tiefgreifende Studie Georg Kühlewinds darlegt, den Bruch im Verhältnis zur "schenkenden Urkraft" überwinden, der entstand, als der Mensch nach der Geschlechtertrennung der Verführung erlag und des Paradieses verlustig ging. Wurde ihm damit auch die sinnliche Welt eröffnet, so bedarf es zu solcher Heilung noch einer anderen als der daraus entstandenen Liebe: einer Liebe der reinen Zuneigung außerhalb des Begehrens nach Wiedervereinigung der getrennten Geschlechter. Sie äußert sich in der Frage, die ein selbstbewußtes Ich in freiem Entschluß an ein Du in der lauteren Absicht richtet, ihm damit die Erweckung seines wahren Selbst zu ermöglichen. Eben darin lag die Aufgabe der Gemeinschaft um den Gral: der Welt eine Liebe zu stiften, die das Individuum in die Lage setzt, sich im Selbstbewußtsein selbst zu schaffen - denn geschöpft werden kann es nicht.

Publisher: Edition Tertium GmbH, 1997

ISBN 10: 3930717514 / 3-930717-51-4
ISBN 13: 9783930717514